Ausstellung Erika und Gerhard Lojen im Kunsthaus Köflach, Eröffnungsrede 8. November 2024
Text von Gudrun Danzer
Vielen Dank für die Einladung, zur Eröffnung dieser Ausstellung zu sprechen. Ich habe mich über die Nachricht sehr gefreut, dass das Kunsthaus Köflach Werke von Erika und Gerhard Lojen zeigt. Wie Sie sehen können, ist da eine ziemlich umfangreiche Ausstellung entstanden, die einen Überblick über das gesamte malerische Schaffen von Gerhard Lojen möglich macht. Dazu kommt, um das Bild abzurunden, eine Auswahl der Fotoarbeiten von Erika Lojen, einige Arbeiten, die Schülerinnen und Schüler von Gerhard Lojen zur Verfügung gestellt haben, und ein spätes Werk seines Lehrers und Freundes Kurt Weber. So können wir uns über eine richtiggehende Retrospektive auf das Werk von Gerhard Lojen freuen, die auch dessen Voraussetzungen und Wirkungen in den Blick nimmt. Es besteht ja Einigkeit darüber, dass sein bildnerisches Werk einen sehr wesentlichen Beitrag zur Kunst der 2. H. d. 20. Jhds. in der Steiermark darstellt. Christa Steinle hat Gerhard Lojen in einem Katalogtext gar als Prototyp der Moderne in diesem Land bezeichnet.
Den Ausgang nahm der künstlerische Weg Lojens in der Mitte der 1950er-Jahre. Damals begegnete er im Rahmen seines Architekturstudiums an der Grazer Technischen Hochschule dem Maler und Lehrer Kurt Weber, der dort Malen und Zeichnen - also künstlerische Gestaltung - unterrichtete. Diese Begegnung mit Weber, der bald vom Lehrer zum Freund wurde, muss wie eine Initialzündung auf Lojen gewirkt haben. Denn der Unterricht bei ihm ging über bloße Anleitungen zur Gestaltung weit hinaus. Vor allem vermittelte Weber, der selbst in der Zwischenkriegszeit in Frankreich gelebt und Kunst studiert hatte, seinen Studierenden sein Wissen sowie aktuelle Informationen über die moderne und zeitgenössische Kunst. Beides war damals nicht leicht zu bekommen. Für Lojen wurde Weber darüberhinaus zu einem wichtigen Gesprächspartner über Kunst, aber auch über Philosophie, Religion, Literatur. Er schreibt, dass ihn bei dem Lehrer vor allem dessen Verbindung von strenger Disziplin und größtmöglicher innerer Freiheit fasziniert hätten – zwei Qualitäten, die auch Lojen in seinem Leben und Werk verwirklicht hat.
Bei Weber lernte Lojen auch Hans Bischoffshausen kennen, der sein Architekturstudium jedoch bald abbrach und Österreich in Richtung Paris verließ. Daraus entstand eine lebenslange, intensive Freundschaft zwischen den beiden Künstlern - einige Gemeinschaftsarbeiten aus den 1980er-Jahren können Sie in der Ausstellung sehen. (Übrigens wird Ende November in Wien das erste vollständige Werkverzeichnis über Bischoffshausen präsentiert.)
Über Webers Vermittlung wurde Lojen auch bereits mit 23 Jahren in die Grazer Sezession aufgenommen und beteiligte sich an deren Aktivitäten, war später auch ihr Präsident und Vizepräsident. Wobei für ihn aber vor allem die freundschaftlichen Verbindungen zu den Sezessionskünstlern wie Gottfried Fabian, Fritz Aduatz, Rudolf Pointner oder Vevean Oviette wesentlich waren. Später, in den 1970er-Jahren, kam es zu nicht überbrückbaren Spannungen innerhalb dieser Künstlervereinigung. Daraufhin traten einige Künstlerinnen und Künstler aus der Sezession aus und gründeten die Gruppe 77. Dieser Kreis war – und ist es für Erika Lojen auch heute noch – von da an das freundschaftliche Netzwerk, vor dessen Hintergrund sich die eigene künstlerische Tätigkeit entfalten konnte.
In die Zeit ihres Architektur-Studiums an der Grazer Technik fällt für Erika und Gerhard Lojen auch die wohl wichtigste Begegnung ihres Lebens: Sie lernten einander kennen und heirateten nach dem Abschluss ihres Studiums. Im Lauf der folgenden fast 5 Jahrzehnte gelang ihnen etwas Kostbares und nicht allzu Häufiges: Sie lebten eine Gemeinschaft, die von gegenseitigem Respekt und Wohlwollen getragen war und von dem Wunsch, einander in der menschlichen wie künstlerischen Entwicklung zu unterstützen. So war es vor allem Erika, die das gemeinsame Architekturbüro erfolgreich führte und die sich bemühte, Gerhard die Zeit und den Raum für sein künstlerisches Schaffen freizuhalten. Erika hatte erst nach ihrer Karriere als Architektin ab dem Beginn der 2000er-Jahre die Muße, sich ausführlicher mit dem Medium der Fotografie zu befassen. Die Werke von beiden zeigen, dass das Fundament ihrer Gemeinschaft auf einer geistigen Ebene lag – nämlich dem gemeinsamen Interesse und Engagement für die Kunst – verstanden als zentraler und von diesem untrennbarer Bereich des Lebens.
Das Werk von Gerhard Lojen tritt uns sehr vielgestaltig entgegen. Wenn wir versuchen, es zu überblicken, fallen sofort Werkgruppen ins Auge, die sich sehr deutlich voneinander unterscheiden. Dieses Arbeiten in Zyklen ist seinem generellen Zugang zur Kunst zu verdanken: es ging ihm nicht um die Ausprägung eines bestimmten Stiles, einer bestimmten Richtung, die dann zu so etwas wie einem „Alleinstellungsmerkmal“ würde (wie man das heute markttechnisch so nennt). Die Malerei – und Lojen ist ja in erster Linie Maler gewesen – bedeutete für ihn, wie er selbst sagte, immer ein Abenteuer, eine Entdeckungsreise, einen experimentellen Prozess. Er vermutete, dass vielleicht alle möglichen Bilder in einem geistigen Raum bereits vorhanden seien und dass es die Aufgabe der Künstler und Künstlerinnen sei, sie in die materielle Existenz zu bringen. Das Ergebnis dieser Abenteuerreisen war am Ausgangspunkt aber jeweils ungewiss. Und jeder Zyklus wurde quasi zur Voraussetzung des folgenden.
Lojen entwickelte seine Bildschöpfungen immer vor dem Hintergrund seines großen Wissens und Interesses für die Kunstgeschichte und die aktuelle Kunstentwicklung. Dabei war er von Anfang an – und wir befinden uns hier in der Mitte der 1950er-Jahre - der Abstraktion verpflichtet. Seine Beziehung zur Außenwelt spiegelt sich in den Bildern also nicht als mimetisch-abbildend, sondern als ein Verdichtungsprozess. Und er suchte sich seinen Weg quasi zwischen den großen Polen der Abstraktion, zwischen der gestisch-informellen Herangehensweise mit ihren freien, lockeren Formen und der konkret-geometrischen Richtung. So stehen am Anfang seiner Laufbahn in den 1960er-Jahren mit lockerem Pinsel gemalte, oft dunkle Bilder, die gerne auf Literarisches oder Mythisches anspielen.
Diese Phase wird ab 1968 durch starkfarbige, meist quadratische Gemälde abgelöst. Ihre Bildflächen werden von einfachen geometrischen Formen bestimmt, die etwas Zeichenhaftes haben – der Bezug zur gleichzeitigen, fröhlichen und manchmal schrillen Pop-Art wird hier greifbar. Von dort führt ihn sein Weg in der Mitte der 1970er-Jahre weiter zu Analysen und Erkundungen über die grundsätzlichen Gegebenheiten der Malerei: Wie werden geometrische Farbformen auf rein weißen oder schwarzen Flächen wahrgenommen? Wie verhalten sich die Farbflächen zueinander? Wie erscheint eine weiße Bildfläche, wenn die Farbe an deren Ränder rückt?
Die schon erwähnten Gemeinschaftsarbeiten mit Hans Bischoffshausen aus dem Jahr 1983 stehen am Ende dieser geometrisch-analytischen Periode. Ab diesem Zeitpunkt wurden Lojens Bilder wieder weicher, malerischer, wobei die geometrischen Formen - oft Dreiecke – lange noch nachhallen. Sie schweben jetzt oft vor weißen Gründen und rufen Assoziationen zu Landschaften, auch fliegenden Vögeln hervor – Raumzeichen werden sie in der Literatur über Gerhard Lojen genannt.
In die 1980er-Jahre, als diese Bilder entstanden sind, fällt auch der Beginn von Lojens Lehrtätigkeit an der Grazer Ortweinschule. Er hat dort von 1987 bis 2000 die Meisterschule für Malerei geleitet. Dass er mit seiner offenen Sichtweise auf die Kunst von seinen Schülern und Schülerinnen überaus geschätzt wurde, zeigt ihre Beteiligung an dieser Ausstellung.
Rund um das Jahr 1990 verfestigten und vereinfachen sich die geometrischen Formen auf Lojens Bildern wieder. Oft ist es jetzt eine einzige geometrische Fläche, die vor dem Weiß des Untergrundes erscheint, um das Verhältnis von Figur und Grund auszuloten. Fast paradox ist es, dass diese Flächen unserer Wahrnehmung körperhaft erscheinen – entsprechen haben diese Bilder die Bezeichnung Malkörper erhalten.
Einige dieser Flächen sind weiß und heben sich kaum vom ebenfalls weißen Bildgrund ab – eine Arbeit an den Grenzen der Sichtbarkeit. Das Vorherrschen der Farbe Weiß, die ja keine Farbe ist, aber gleichzeitig alle Farben enthält und so natürlich das Licht symbolisiert, lässt sich auch bei Gerhard Lojens späten Bildern beobachten. Sie sind bereits im Bewusstsein seiner schweren Erkrankung entstanden und lassen seine Überzeugung erahnen, dass ein unendlicher, freier, geistiger Raum alles Irdische überdauert.
Nun noch ein paar Worte zu den Fotografien von Erika Lojen. Sie widmet sich seit nunmehr rund 20 Jahren künstlerischen Langzeitprojekten mit Titeln wie „Das Licht, das ich suche“ oder „Lichtspuren“. Darin nähert sie sich mit dem Medium der Digitalfotografie dem grundlegenden Phänomen des Lichtes. Gegenläufig zum gegenwärtigen massenhaften Gebrauch der Fotografie reduziert sie die Detailfülle der Welt radikal und konzentriert sich auf die Elemente Wasser und Luft – denn Wolken sind ja ebenfalls Wasser in einem anderen Aggregatzustand. Dieses Absehen von all den Einzelheiten, die uns ständig umgeben, bildet die Voraussetzung für Lojens Lichtstudien. Wie erscheinen die Elemente im Licht oder wie erscheint das Licht, wenn es auf sie auftrifft? Welche visuellen Phänomene ergeben sich, wenn das Licht auf bewegte Wasseroberflächen fällt? Diese – und ähnliche - Fragestellungen klingen analytisch, aber das Ergebnis ist ein sehr poetisches. Die Fotos konfrontieren die Betrachter mit dem Elementaren und weisen mit ihrer abstrahierenden Darstellungsform gleichzeitig über das Irdische hinaus. Somit stehen sie den vorwiegend weißen, späten Gemälden von Gerhard Lojen nicht fern. Die gemeinsame Weltsicht von Erika und Gerhard Lojen wird so auch in ihrem künstlerischen Werk für uns Betrachter fühl- und erfahrbar.